Baal Müllers Neuerzählung des Nibelungenliedes aus der Sicht des alten Hildebrand - jetzt in einer bibliophilen Neuausgabe im Arnshaugk Verlag (255 S., Hardcover, ISBN 3-944064-85-2, 22,00 €) mit neun Federzeichnungen von Sebastian Hennig.
»Das hervorstechendste Merkmal von Müllers Text und der Grund für dessen Überzeugungskraft ist seine Wahl des altdeutschen Helden Hildebrand als Protagonist und Erzähler einer ›Geschichte in der Geschichte‹, der seine Erlebnisse einem betagten Einsiedler mitteilt. Dieser Rahmen erhebt seine Nibelungen in das mythische Reich der ursprünglichen Handlung und verknüpft sie zugleich fest mit dem mittelalterlichen literarischen Kontext des Nibelungenliedes.«
(Aus dem Nachwort von Stephan Grundy)
»Dieser Kunstgriff ermöglicht ihm, die Niederschrift des Epos aus christlich-höfischer Zeit um die Bruchstücke der heidnischen Überlieferung zu ergänzen … ein tiefer Blick in die deutsche Seele …«
(Götz Kubitschek, »Sezession«)
»So reiht sich Baal Müllers Werk in den Strom der Lieder und Sagas, in denen germanische Dichter jahrhundertelang das Schicksal der Wälsungen und Nibelungen, das so unfassbar ist, immer wieder neu zu fassen suchten.«
(Fritz Steinbock, »Ringhorn«)
»Müller ist […] ein echtes Kunststück gelungen.«
(Ellen Kositza, »Junge Freiheit«)
Erhältlich in jeder Buchhandlung, direkt beim Arnshaugk Verlag oder hier (auf Wunsch auch signiert). Eine französische Übersetzung ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich 2018 erscheinen.
Mit Illustrationen von Linde Gerwin und einem Vorwort von Stephan Grundy.
Das Nibelungenlied ist das bedeutendste und vielschichtigste literarische Werk des deutschen Mittelalters. Äußerlich ein höfisches Epos der staufischen Epoche, wurzelt es inhaltich in der Völkerwanderungszeit und weist in den tragenden Chrakteren sowie in seiner Symbolik auf den altgermanischen Mythos zurück. Letzterem gilt das Interesse von Baal Müller. Er schaut gleichsam hinter das Visier des Ritterromans und sieht überall Zeugnisse eines noch fortlebenden germanischen Heidentums; dabei gelingt es ihm, das Nibelungenlied auf eine völlig neuartige, fast archetypische Weise zu erzählen - aus der Sicht des alten Hildebrand sowie eines einäugigen Schamanen, der jenem Schutz und Herberge gewährt.
Uhlstädt-Kirchhasel: Arun-Verlag 2004, 188 S., Hardcover, zahlreiche farbige Abb., ISBN 3-935581-63-7
Das Buch ist vergriffen; einzelne Exemplare sind noch antiquarisch verfügbar.
"Den Versuch, in einem einzigen Erzählfluß die einzelnen, gelegentlich sich widersprechenden Versatzstücke des bis nach Island und Skandinavien ausgedehnten Sagenkreises zusammenzuführen, hat nun Baal Müller unternommen. Eine fiktive Einklammerung des Geschehens ermöglicht dieses virtuos gelungene Mosaikspiel: Müller, promovierter Philosoph und Germanist, läßt Hildebrand, jene altdeutsche Heldengestalt, in nächtlicher Stunde einem Einsiedler die Geschehnisse am Königshof zu Worms und in Etzels Saal berichten – die Geschichte von der „Nibelungen Not“. Mittels jener gelegentlich da-zwischengeschalteten Rahmenhandlung – im Gespräch zwischen Hildebrand und Einsiedler – werden abweichende Versionen und alte Legenden erörtert und geklärt. Die Idee ist klug, die Umsetzung ohne rhetorisch bleierne Fingerzeige denkbar schwierig: Müller ist also ein echtes Kunststück gelungen."
"Den beiden jungen Künstlern ist mit den Nibelungen ein tiefer Blick in die deutsche Seele gelungen."
(Rezension von Götz Kubitschek in der .)
Seit seiner Wiederentdeckung im 18. Jahrhundert wurde das Nibelungenlied auf verschiedenste Weise neu bearbeitet: mit wissenschaftlicher Akribie übersetzt, frei nacherzählt oder - meist unter
Rückgriff auf die nordische Tradition (Edda, Wälsungen- und Thidrekssaga) - im Sinne einer großen mythischen Gesamtschau weitergedichtet (vor allem von Hebbel und Wagner).
Ein besonderes Problem stellte dabei die Spannung dar, die zwischen seiner poetischen Form als höfischem Epos des Hochmittelalters und seinen in die heidnisch-germanische Vorzeit zurückreichenden
Motiven und Charakteren besteht: Während das pagane Erbe in den skandinavischen Nibelungendichtungen unverkennbar ist (weshalb sich "Neuheiden" und Autoren, denen dieser Aspekt besonders am
Herzen lag, vorzugsweise an der nordischen Überlieferung orientierten), lebt es im deutschen Nibelungenlied eher auf eine untergründige Weise fort.
Baal Müllers Verdienst bei seiner Neubearbeitung besteht nun darin, diese heidnischen Relikte in den Vordergrund gerückt und in einer frei, aber stimmig erfundenen Rahmenhandlung zugleich auch
interpretiert zu haben (ohne dabei jedoch dogmatisch und pädagogisch-belehrend aufzutreten). In dieser Rahmenhandlung greift Müller auf die Erzählsituation des Hildebrandsliedes zurück (Dietrich
von Berns Waffenmeister Hildebrand ist nach dem Untergang der Burgunden an Etzels Hof ins ostgotische Italien zurückgekehrt und hat dort im Zweikampf seinen Sohn töten müssen) und läßt Hildebrand
das teils selbst erlebte, teils nur mittelbar vernommene Schicksal der Nibelungen einem alten Einsiedler - der deutliche Züge Odins trägt - berichten. Ob es sich tatsächlich um Odin selbst
handelt, wird jedoch in der Schwebe gehalten und bleibt letztlich der Interpretation des Lesers überlassen.
Der Kunstgriff, eine Rahmenhandlung einzuschalten, die eigentliche Handlung von einem Beteiligten erzählen und von einem Unbeteiligten kommentieren zu lassen, ermöglicht es dem Autor, Narration
und Interpretation zwanglos zu verbinden und sogar abweichende Versionen widerspruchsfrei zu berücksichtigen. Darüberhinaus entsprechen diese beiden Ebenen auch unterschiedlichen "metaphysischen"
Sphären: Hildebrand berichtet als Mann der Tat von seinen konkreten Erlebnissen, und der alte, weise Einsiedler repräsentiert demgegenüber mit seinem besonderen, Hildebrand zuweilen irritierenden
Wissen von den "letzten Dingen" eine urbildlich-mythische Ebene, die der Handlung zugrunde liegt, sich in ihr spiegelt und in ihr (nach den vom Verfasser verarbeiteten Mythostheorien von Mircea
Eliade und Kurt Hübner) gleichsam wiederholt wird.
Das Buch ist freilich nicht nur literarisch und mythologisch von großem Wert, es ist, dank der ausgezeichneten Illustrationen von Linde Gerwin, auch noch ein bibliophiles Meisterwerk. Insgesamt
30 großformatige Bilder zu den Schlüsselszenen des Nibelungenliedes korrespondieren auf eine erstaunliche und faszinierende Weise mit der Handlung und liefern eigenständige künstlerische
Auseinandersetzungen mit dem Nibelungenstoff. Hat sich Müller der heidnischen "Urgeschichte" des Nibelungenliedes unter Rekurs auf kultur- und religionsgeschichtliche Erkenntnisse angenommen, so
versteht Linde Gerwin Heidentum vor allem als Naturreligion und versetzt die Nibelungenhelden in einen ästhetisch naturalisierten Kontext: Rüstungen erscheinen plötzlich wie Panzer von Schalen-
und Kerbtieren, Schilde werden zu Schneckenhäusern, Gewänder verwandeln sich in verschlungene Pflanzen, feindliche Heere wälzen sich vom düsteren Horizont mit drohenden Stacheln heran, Vorder-
und Hintergrund, die Menschen und ihr Schicksal, sind untrennbar miteinander verwoben.
Einen Gewinn für das Buch stellt schließlich die Einleitung von Stephan Grundy dar, der selbst mit verschiedenen Romanen zu mythologischen und mittelalterlichen Themen hervorgetreten ist -
darunter der Nibelungenbestseller "Rheingold": Er erläutert nicht nur die Nibelungensage und ihre nordischen Parallelen, sondern er beschreibt, indem er Müllers Text einführend analysiert,
zugleich die poetischen Verfahrensweisen, mit denen sich ein moderner Dichter seines Erachtens dem alten Stoff annähern kann.
Insgesamt handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um ein kleines Gesamtkunstwerk, das nicht nur bei Lesern, die - als Laien oder Fachleute - am Nibelungenlied interessiert sind, sondern auch
bei solchen, die sich mit Mythologie und Heidentum, dem Mittelalter oder der Völkerwanderungszeit befassen oder befassen möchten, auf Anerkennung stoßen dürfte - auch und gerade, weil das eine
oder andere Detail durchaus diskussionswürdig ist und zu weiterem Nachdenken einlädt.
Zwei Besprechungen von Lesungen aus meinem Nibelungenbuch im Wormser Nibelungenmuseum, die ich zusammen mit der Münchner Zitherspielerin Dr. Gertrud Huber veranstaltet habe (mit dem "müden Recken" bin nicht etwa ich gemeint, sondern der alte Hildebrand ...):