Wenn man in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Philosophie und deutsche Literatur nicht auf Lehramt, sondern aus bloßem Interesse studierte, hatte man bekanntlich keine realistischen Berufsaussichten (woran sich nicht viel geändert hat). Man dachte vage und mit Mißbehagen daran, daß Geisteswissenschaftler oftmals als Taxifahrer, Nachhilfelehrer, Bibliothekshilfskraft, Nachtwächter, Weihnachtsmann, Telefonservice-Mitarbeiter oder Messe-Hosteß arbeiten (später kam die "Ich AG" etwa in Gestalt eines Online-Shops als Berufsbild hinzu), und man verdrängte nach Möglichkeit die leidige Frage, "was man denn später mal machen will".
Damals fiel diese Verdrängung noch etwas leichter, da die Universität nicht ganz so verschult war wie heute und man nicht überall im Eilverfahren bis zum "Bachelor" oder "Master" durchgeschleust wurde; die Universität und die sie umgebende Szene in einer kleineren Universitätsstadt waren ein eigenes Biotop, in dem man sich schon aufgrund der Ratlosigkeit hinsichtlich der Frage, ob es ein Leben nach der Uni gäbe, nach Möglichkeit etwas länger einrichtete. Auch bestand das Studium noch nicht nur darin, irgendwelche "Papers" zu vorgegegebenen Fragestellungen zu präsentieren und dadurch bestimmte "Module" abzuarbeiten, sondern man hatte zuweilen - manchmal bei Professoren, die noch bei Martin Heidegger oder Hans-Georg Gadamer studiert hatten - die Möglichkeit, sich Nischenthemen abseits des Mainstream zu wählen oder zu gängigen Themen eigene Forschungsansätze zu verfolgen. Punktabzug bei nicht "gendergerechter" Schreibweise war noch unbekannt.
Derart gegenüber heutigen Studenten aufgrund meines Alters privilegiert, sowie wegen der damaligen Unmöglichkeit, in der Bibliothek während der Kant- oder Hegel-Lektüre Selfies zu machen und bei Facebook hochzuladen, stieß ich also in der vielen Zeit, die ich zur Verfügung hatte, irgendwann 1994 auf die äußerst wunderlichen Schriften Alfred Schulers in der alten Ausgabe von Ludwig Klages - und hatte mein Thema für die nächsten Jahre gefunden!
Nach längeren Forschungsaufenthalten im Marbacher Literaturarchiv folgte drei Jahre später meine erste Buchveröffentlichung - eine noch etwas roh geratene, eingeleitete und kommentierte Neu-Edition Schulers -, die zugleich meine Magisterarbeit darstellte. Ein gewisser Weg in die Publizistik war damit vorgezeichnet, denn irgendwie wollte ich immer "was mit Büchern machen", also Bücher herausgeben, verlegen, übersetzen, lektorieren, korrekturlesen und nicht zuletzt natürlich auch schreiben, was ich dann in den nächsten Jahrzehnten alles tun sollte, mußte und durfte ...